Durand Jones & The Indications in Hamburg: Soul-Messe an unheiligem Ort

Konzerten im Stage Club haftet immer etwas Fremdes an. Ist es die Nähe zur Neuen Flora? Der Abstand zu den coolen Locations auf Kiez oder in der Schanze (obwohl nur eine S-Bahn Station entfernt)? Oder doch die Einrichtung, die eigentlich sehr gut zu einem Tanz-Tee in den 60ern passt? Und irgendwie wirken hier immer Großteile des Publikums so unbedarft, als hätte es die Tickets gewonnen und nicht gekauft.  But i digress .....

Ach ja, Pünktlichkeit ist hier eine Zier: Um 20 Uhr füllen The Dip aus Seattle die Bühne. Das Septett spielt instrumental Soul-Funk. Und das nicht ganz unfreiwillig, weil der Sänger eine Erkältung hat. Sicher hätten die Songs mit Gesang gewonnen, aber ob das ausgereicht hätte, um sich hier länger damit zu befassen?

The Star of the Show: Mr. Dynamite

Eigentlich hätte ich heute Abend gar nicht hier sein sollen (Part 1). Nach dem grandiosen Soul Weekender hätte ich besser mal sutje gemacht. Und überhaupt, wer brauche denn noch Retro-Soul? Dank Vinay FP aus Berlin, der ein Ticket übrig hatte, und Imke, die vor Monaten stark insistierte, doch in das zweite Album reinzuhören, stehe ich hier nun. Ganz vorn, zwischen älteren, groß gewachsenen Männern, die vielen die Sicht versperren, sich aber den ganzen Abend nicht bewegen. Wo bleibt hier die Tanz-Polizei?

Doch das war auf einmal alles egal. Die coole, schlechte Laune konnte ich nicht durchhalten. Denn Durand Jones & The Indications spielen einfach auf einer anderen Liga - und nehmen mich - und alle anderen -  mit. Da fällt die kurze technische Pause nach zwei Songs gar nicht ins Gewicht. Von Anfang an ist klar: Das wird großes Kino.

Eine Band - zwei Sänger

Vor allem auch, weil neben Durand Jones - der als aktueller Mr. Dynamite sowohl auf die Knie wie James Brown aber auch in die Tiefen der Seele wie Sam Cooke fallen kann - noch Aaron Frazer singen kann. Der Schlagzeuger ist die Hauptperson für den Low Rider-Touch bei den Indications. Im Falsett singt er die süßesten Liebesschwüre - siehe die neue Single "Cruisin' To The Park".

Nach seiner Pause übernimmt wieder der Leadsänger das Kommando und fesselt auch sonst weniger beseeltes Publikum mit den Tunes des zweiten, tollen Albums: "American Love Call".  Von dem großartigen "Morning in America (and I can't see the Dawn)" über "Walk Away" zur ersten Single Auskoppelung "Don't You Know" - die es während der Europa-Tour in exklusiver Auflage mit Picture Cover gibt. Und das ist noch nicht alles: Neben dem unveröffentlichten "After all the Lies" covern sie auch noch Curtis Mayfields "If There's Hell Below (We're All Going To Go)", der die Inspiration zu "American Love Call" gewesen sei.

Eine Soul-Messe an unheiligem Ort

Das Schöne dabei, bis auf wenige Ausnahmen gibt es kaum "erdige" "authentische" Songs im klassischen Blues-Schema, sondern gut komponierte Kleinode zwischen Northern und Sweet Soul. Dabei waren 4/5 der Band ursprünglich die Bluesband Charlie Patton's War (benannt nach dem "Vater des Delta-Blues"). Doch durch Durand änderte sich 2015 der Sound grundlegend und mit dem neuen Sound stehen sie "Head and Shoulders" aktuell über allen anderen Soul Music-Interpreten von 2019. Ob die letzte Zugabe unbedingt eine Beatles-Nummer hätte sein müssen? Geschenkt. Durand Jones & The Indications lasen heute auch Zweiflern eine Messe. Und wenn nur eine Handvoll des normalen Publikums jetzt von der Erkenntnis genascht hat und sich künftig nicht mehr mit Hamburgs Radioprogramm zufrieden gibt, dann kann ich auch meinen Frieden mit dem Stage Club machen.

Psst! In der nächsten SOUL STEW Sendung gibt es exklusive Live-Aufnahmen von diesem Konzert.

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