Ein Konzert, im CCH. Nicht gerade die Lieblingslocation für mich. Doch immerhin hatte ich hier mein erstes "großes" Konzert gesehen: Udo Lindenbergs "Votan Wahnwitz" oder so: umsonst, im Norwegerpullover, auf den Knien, im Gang - damit die zahlenden Besucher nicht gestört wurden.... Danach: Shirley Bassey, die Pet Shop Boys und mein zweites Amy Winehouse-Konzert (in der "kleinen" Halle, unbestuhlt(!).... Doch das hier war anders. Erwachsener Pop für Immer-Noch-Nicht-Erwachsene?
Eins-Zwei-Drei-Vier
Schon das Einzählen setze ein Zeichen. Wo den Ramones in Spitzenzeiten vier Worte in unter zwei Sekunden gereicht hätten, nahmen Kraftwerk acht in sechs Minuten - in deutsch, englisch, japanisch, mandarin, russisch, spanisch.... Da stehen "sie" plötzlich auf der Bühne: Vier gleich ge-/ver-kleidete Männer an vier gleichen Pulten - umrahmt von einem Leuchtband in grüner Farbe. Wie die berühmte Motorrad-Szene in Tron - nur in unbeweglich. Oder wie die Zahlenkolonnen in Matrix.
Universelle Klänge
Kraftwerk brauchen wenige Worte, die universell in allen Sprachen eingesetzt werden können. Das ist hilfreich beim weltweiten Verkauf, aber geschieht mit weit weniger Kalkül als die Besetzung von Blockbuster-Filmen wie z.B. bei James Bond. Und wenn bei Autobahn das Plattencover "lebendig" wird, Raumschiffe auf uns zu driften (sehr schön: eines landet direkt vor dem CCH), "Radioaktivität" farbig strahlt und bei Tour de France an Eddy Merckx erinnert wird, dann hat es etwas rührend Antiquiertes, die Idee des Allumspannenden (in more ways than one) so einfach umgesetzt zu sehen. Kraftwerk live in Hamburg - für diesen Abend klappt es. Wie damals, als Future noch eine Zukunft hatte.
Kraftwerk sind längst retro. Sie sind irgendwann Anfang der 80er an einer Weggabelung stehen geblieben und müssen sich heute nicht mehr entscheiden. Dort treten sie auf der Stelle. Für sie war nur die Richtung "vorwärts" programmiert, post-modern war nicht vorgesehen. Und so schwelgen wir im Publikum zu den nur einst modernen Klängen in der Vergangenheit: Wie das Morgen hätte werden können, wie erfolgreich wir hätten werden können. Doch: "Es wird immer weiter gehen, Musik als Träger von Ideen". Das hoffen wir auch immer noch.
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