Jai Paul in Berlin. Der britische Prince?

Ein wummernder programmierter Bass, bevor sich ein Gitarrenlauf anschleicht und eine Stimme flüstert: „Are you with me, Jasmine?“ Zehn Jahre später ist Jai Paul, Schöpfer des Songs in Berlin.

Jai Paul live im Huxleys in Berlin.What's a boy to do?
Die Veröffentlichung ist ewig her. Fast 4000 Tage, an denen dann nichts Wesentliches passierte. Nachdem die Demo-Takes des geplanten Debüt-Albums "Bait Ones" geleakt wurden, zog Jai Paul die Notbremse und zog sich zurück. Nur kleine Projekte des Bruders wurden unterstützt inklusive gemeinsamem Label und der Freigabe von Samples für Kollegen wie Drake und Beyonce.

Und auf einmal purzelt Herr Paul zurück in die Welt. Auftritt beim Coachella-Festival und offizielle „Erstveröffentlichung“ der geleakten Tapes auf allen Tonträgern. Was ist da los Das wollte ich genau wissen. Also ab zum bisher einzigen Konzert in hiesigen Gefilden: Jai Paul live in Huxleys Neuer Welt in Berlin.

Trying to make sense of it
Um 20:24 Uhr packt Vorprogramm Fabiana Palladino (Tochter von Bassspieler Pino) ihre elektronischen Spielzeuge fast schon wieder ein. Die zwei, drei letzten Songs spielen ähnlich mit Songstruktur, DIY-Technik und moderner Anmutung wie der Haupt-Act höchstpersönlich. Kein Wunder, ist sie doch auch auf seinem Label vertreten und kooperiert mit Jai auch direkt - später mehr.

Der Abbau geht schnell, die Wartezeit nicht so. Aber zu einem Potpourrie aus „My Jamaican Guy“, Debarges „Oh I Like It“, einem fast vergessen Track von Q-Tip und anderen Bangern lässt es sich warten. Dann ist die Bühne plötzlich voll mit dreiköpfiger Band – Bruder A. K. Paul an der Gitarre, Rocco Palladino (Yussef Dayes Trio) am Bass sowie Isaac Kizito an den Drums – plus Fabiana und dem Mysterium himself. Grüne Haare und dunkler Freizeitanzug mit diagonalen Streifen schmücken den Produzenten, der damals fast ein Star hätte werden können. Also eigentlich eine Ewigkeit her. Doch warte - was ist in Berlin los? Die fast 2.000 Gäste können jede Zeile.

Melt my heart of stone and Make my dream come true

Dafür spielt er sein komplettes Debut: "Genevieve",  Str8 Outta Mumbai, die Version von Jeniffer Paiges "Crush", "Zion Wolf Theme", die Debut-Single von MySpace "BTSTU" (Back To Save The Universe) und natürlich "Jasmine". Dann plötzlich mittendrin: sein Cover von Talk Talks "It's my Life". Auch hier ist das Publikum vorbildlich vorbereitet. Und man ahnt, dass Berlin bei der Popkultur-Rezeption sehr viel Vorsprung hat gegenüber anderen Metropolen. Wie viele Leute wohl in Hamburg gekommen wären?

Jai Paul hat einen modernen Funk-Sound, der Melodien schätzt, diese aber oft hinter technischen Tricksereien und rhythmischen Verschiebungen versteckt. Genaues Zuhören ist nötig. Und nicht nur damit erinnert er an den großen Kleinen aus Minneapolis: Prince. Nur: Jai Paul ist aus diesem Jahrtausend und britisch geprägt. Er schaut mehr nach vorn als nach hinten: Hier ist also weniger Virtuosität am Gerät gefragt wie in den 60ern, dafür mehr Innovation von heute. 

"Bait Ones" gibt es zehn Jahre später auf Vinyl - in diesem Zeitraum haben sich die Beatles gegründet und aufgelöst. Jetzt bin ich gespannt, an was er seitdem getüftelt hat.  

"The ship was the love of my life
We went down together that night
I surfaced in every shadow
For years I just kotched on the down low

I know I've been gone a long time, but
I'm back and I want what is mine"

 

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