Neu! Aufregend! Ohne Blues-Schema! Diese Doppel-Lp war richtig modern. Und damit war ich - Mitte/Ende der 1980er - kulturell endlich in Frankfurt angekommen. Nach Monaten in der hessischen Provinz zurück in einer - äh - Großstadt. Nicht ganz so aufregend wie Hamburg. Aber immerhin gab es wieder Zugriff auf Plattenläden mit aktueller Auswahl - und ein verhängnisvolles Treffen mit einem Kommilitonen in der U-Bahn auf dem Weg dorthin: Daraus entstand das Theoriezine "Heaven Sent".
My Sound Of Frankfurt
Neben Kunst, Literatur, Soziologie, Videoverleih sowie Gewalt und Ästhetik spielte natürlich Musik die entscheidende Rolle. Die Playlist damals beinhaltete neue SST Bands, "Lovesexy" von Prince, Northern Soul-Sampler von Kent, Public Enemy - und diese Compilation: Techno · The New Dance Sound Of Detroit". Die war stark gehypet von Stuart Cosgrove, der damals beim New Musical Express für Dance Culture kämpfte - und gegen Brit-Pop verlor.
"berry gordy built the motown sound on the same principle as the conveyor belt at the ford plant. today the automobile plants use robots and computers to make their cars and i'm more interested in fords robots than gordy's music."
Juan Atkins
Aus heutiger Sicht geht die Legende so: Angeblich wollten Juan Atkins, Kevin Saunderson, Blake Blaxter und Derrick May ursprünglich nur den House-Sound aus Chicago imitieren. Und die LP sollte ursprünglich "The House Sound Of Detroit" heißen. Doch mit billigen Geräten war das Ergebnis unfreiwillig kantiger und weniger harmonisch. Cosgrove hörte begeistert die ersten Platten und schrieb eine Cover Story für die englische The Face: "seventh city techno". The Rest is History.
Der heiße Scheiß kommt aus den USA
Neben dem rauen Hip Hop von Def Jam und Schooly D war die neue amerikanische Elektronik das zeitgemäß Neue, das was zählte. Großbritannien konnte mit Acid - wahlweise als House oder Jazz - überraschend wenig spannendes hinzufügen. Klar, die Compilation klingt heute längst nicht so anders, da wir uns an elektronische Patterns und Flächen gewöhnt haben. Und Künstler wie Jeff Mills oder deas Underground Resistance-Label haben noch wichtige Kapitel zum Thema hinzugefügt. Aber ob der Pop von Inner City oder die synthetischen Symphonien von Mayday, die vier Seiten Vinyl machen immer noch Spaß - und helfen mir, nicht im Retro-Wahn auf jeden elektronischen Quatsch reinzufallen (Scooter - anyone?). Fast unnötig zu sagen: Mit den meisten anderen georgraphischen Spielarten des Techno habe ich mich nicht anfreunden können.
*) Natürlich war dann doch viel mehr Motown in dieser Compilation als behauptet: Stuart und der Compiler Neil Rushton sind beide Northern Soul Enthusiasten und schrieben Liner Notes und Artikel darüber. Letzterer war in den späten 1970/1980ern mit seinem Inferno-Label für viele Soul-Reissues verantwortlich z.B. "Tainted Love" von Gloria Jones - meine erste Northern Soul Schallplatte.