Jetzt also auch der Rachut, dachte ich. Nachdem Kamerun, Schamoni und die Studio Braun-Posse das Schauspielhaus "eroberten", ist jetzt auch Dackelblut-, Blumen-am-Arsch-der-Hölle-, Kommando-Sonne-nmilch- und Oma-Hans-Tausendsassa Jens Rachut mit "Schneckengottt" am letzten Ort gelandet, wo man mit so etwas wie "Kultur" noch ein bisschen Geld verdienen kann: am Theater. Der Grund: "Ich bin da so reingerutscht". Aber: hallo - der Artikel spricht von 13 Jahren Theaterbühnenerfahrung und ist selbst schon 3 Jahre alt. Aber: es bleibt die selbst Soße: Kamerun, Schamoni, Palminger (siehe oben).
Der Schneckengottt erobert die Bretter
Also: ab nach Kampnagel. Es wird "Der Schneckengottt" gegeben. Eine Lesung mit Theatermusik (also wie Filmmusik nur live) mit Susanne Jansen, Thomas Wenzel (u.a Die Sterne, Die Goldenen Zitronen), Mr. Rachut himself und Pencil Quincy (Mitglied bei Rachuts Band Alte Sau), der - mit einem Katzenbaum als Stativ - für Musik und Videos verantwortlich zeichnet.
Und dann? Kommt das, was Jens immer schon am besten kann: überzeugend übellaunig sein - zwischen assoziativer Verschwörungstheorie - hier: Godzilla in mikro - nöliger Maulfaulheit, einem stream-of-consciousness, der Einteilung in A-,B- und C-Menschen (Huxley lässt grüßen) und dem überbordenden Drang, ständig etwas abzusondern. Dabei wechseln die Texte zwischen der, äh, Geschichte - uns droht allen, als Schnecke wiedergeboren zu werden und wie wir uns davor schützen können -unflätigen Beschimpfungen der eigenen Katze, der Apokalypse (u.a. wird auch Finkenwerder von Schnecken verspeist) und der langwierigen Krankheit von Gott, der seit langer Zeit schon bettlägerig ist. Das ist auch der Grund, warum sich die Hauptfigur des Stückes gern als dessen Stellvertreter und eben Schneckengottt bewerben möchte.
Keine Hits fürs Feuilleton
Dazu gibt es Klänge, kleine Hits ("Ikea-Mond") und Video-Schnipsel, die die drohende Vorherrschaft der Schnecken unterstreichen. Das Kriechen der bunt ausgeleuchteten Gastropoden (hey, auch ich kann Thesaurus) über Kibri-Modellbauhäuser hat dabei durchaus eine ganz eigene Ästhetik. Aber wichtig scheint das Rachhut nicht. Im Gegensatz zu Ernstgenannten (siehe oben), sucht er keine Anerkennung des Feuilleton. Dabei wird nicht unbedingt klar, ob es er nur nicht will - oder auch gar nicht kann. Denn diese genervt vorgetragenen Wortlawinen passen so kaum in die bekannten Formate der intellektuellen Rezeption. So wandern wir am Ende belustigt und ratlos aus Halle K6 und versuchen uns, einen Reim darauf zu machen.
Wir sollen nichts Schlechtes über die Akteure sagen, heißt es im Abspann, der scheinbar endlos das Ende der Aufführung anzeigt. Denn das würde ja bedeuten, dass wir schwach wären. Und wir hätten doch gerade gelernt, das zu vermeiden.