Hell, karg, hoch - so zeigt sich der neue "Freiraum" im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG). Es geht aber nicht so sehr ums passive Verweilen vielmehr ums Verwenden: um einen neuen kostenlosen Verfügungsraum zentral in der City, zwischen Hauptbahnhof und Shoppingmeilen.
Der Freiraum: ein Platz zum Einmischen
Der Pausen- und Projektraum ist ein Grundangebot, das von den Besuchern bespielt werden kann. Kein Ausstellungsraum, aber ein Raum zur Planung einer solchen. Keine geschlossene Gesellschaft, sondern ein Platz für öffentlichen Austausch - eben Co-Nnecting statt Co-Working. Ganz bewusst dafür gedacht, zunächst zufällig mit einem halben Ohr zuzuhören,um sich dann möglicherweise einzumischen. "Wenn sich hier Jung und Alt treffen und miteinander diskutieren, wäre mein Wunsch erfüllt", sagt MKG-Direktorin Tulga Beyerle bei der Eröffnung.
Mit dem blauen Sticker kommt man kostenlos in die ehemalige Turnhalle. Kalte Speisen und Getränke dürfen mitgebracht werden oder können vor Ort gekauft werden. Drucker, Kopierer und eine Tonanlage sind vorhanden. Raumteiler, Vitrinen und eine Sitzpyramide sollen folgen.
Was ist der "Dritte Ort"?
Das Projekt basiert auf dem Konzept des US-amerikanischen Soziologen Ray Oldenburg, das er 1989 in seinem Buch "The Great Good Place" definierte. Für den "Dritten Ort" setzte er Regeln:
Der Raum befindet sich auf neutralem Boden, jeder kann jederzeit kommen und gehen. Es steht er grundsätzlich allen Bevölkerungsschichten offen, soziale Unterschiede sollen abgeschwächt werden. Konversation ist er
wünscht. Die Orte sollen einfach zu erreichen sein und Stammgäste anlocken. Die Optik des Dritten Orts steht nicht über seiner Funktion, der Autor spricht hier von einem "low profile". Es soll eine spielerische Stimmung herrschen, die allzu ernste Themen vor der Tür lässt. Der Dritte Ort soll eine "Zweitfamilie" werden. Zu den realen Dritten Orten zählte er dabei deutsche Biergärten, die Wiener Kaffeehäuser oder britische Pubs. Co-Working Spaces gehören nicht dazu.
Entschleunigen vs. Optimieren
Mittlerweile ist der "Zwischenort" auch im Marketing angekommen. So setzt die Hamburger Sparkasse ein abgespecktes Konzept in ihren neugestalteten Filialen um. Und ein "Zukunftsinstitut" ruft bereits einen neuen Wohntrend aus: "Third Place Living bietet attraktive
Gestaltungsräume, die sich in den fluxen (sic) Alltag des urbanen Individualisten einflechten und das dezentrale Wohnen zum Living verwandeln." Denn: "Lebensqualität ist für Städte ein wichtiger Faktor, um im globalen Wettkampf um die Kreative Klasse die Nase vorn zu haben." Und das "Outsourcen" von ehemaligen Wohnungsmomenten in den Tagesablauf, bietet permanentes paralleles Regenerieren, um die Arbeitszeit weiter zu optimieren: "Neue Kommunikationstechnologien erlauben es ... mittlerweile, immer und überall zu arbeiten."
Institutionen wollen sich öffnen
In jüngerer Zeit besetzten städtische Institutionen Oldenburgs Begriff für sich selbst - ergänzt um den Ausschluss von kommerziellen Interessen. Und so positionieren sich bereits Bibliotheken als solche Rückzugsorte und bieten - nach räumlichen Umbauten - über die reine Ausgabe und Rücknahme von Büchern einen Treffpunkt ohne Konsumzwang oder ein Forum für Lesungen oder Vorträge. Ein logischer
Schritt, gab es dort schon immer Leseecken, deren Funktionalität relativ einfach ausgebaut werden konnten und wenig Erklärungen bedarf.
"Das Museumsgebäude kann erstmal gar nix"
Jetzt folgen auch die Museen. Kultursenator Dr. Carsten Brosda, betonte bei der Eröffnung, dass die gesellschaftliche Relevanz dieser Einrichtungen gestärkt werden soll. Um Impulsgeber zu sein, benötige es Freiräume, "in denen ausprobiert und experimentiert werden darf".
Das MARKK an der Rothenbaumchaussee lädt seit über einem Jahr regelmäßig zu kostenlosen Veranstaltungen und Projekten mit Aspekten der eigenen Sammlung - z. B. mit DJs aus aller Welt, die in das Tonarchiv des ehemaligen Völkerkundemuseums eintauchen, kleinen Vorträgen und jeweils dazu passenden Ausstellungsauszügen neben der Tanzfläche. Das Foyer der neuen Kunsthalle wurde als freier Begenungsraum wieder eröffnet. Und auch das Museum für Hamburgische Geschichte und das Altonaer Museum planen ähnliche Orte.
Der Freiraum - ein Anfang
Optisch dominiert Holz: bei der Tribüne, dem Leinwandkasten und Möbeln. Das wirkt zum Start wie Prototypen einer Tischlerei, die die Möbel der frühen 1980er nachbildet - nur eben ohne silbriges Chromgestell und Leder in Matt Black. Das könnte ein Problem sein. Wer hier ohne Idee und Materialien oder einer Begleitung eintritt, wird sich eher selten hinsetzen, wenn keine Formate angeboten werden. Denn trotz eines engagierten Teams um Nina Lucia Groß und Tilman Walther spricht im Moment noch wenig für den Freiraum im Vergleich z. B. zum weniger kargen Hühnerposten. Dafür wirkt es hier doch zu akademisch. Und der Abbau von Zutrittsschwellen wird dadurch womöglich konterkariert.
Konsequenterweise setzt das Museum im Moment auf Schüler- und Studierendengruppen, die sich hier treffen wollen. Und vielleicht wird der Freiraum damit auch zu einem Instagram-Spot, der über Umwege neue Besucher und Einflüsse mit dem Museum verbindet und damit zum gewünschten "Resonanz- und Gelenkraum" wird. Für Ältere hingegen sind Hocker und Holzbank wahrscheinlich dann doch zu "low profile", um lange genug zu bleiben und in eine Diskussion einzusteigen.