Kennt Ihr noch Hip Hop? Dieses sprachgewaltige, zuweilen alberne, gesellschaftsbeschreibende, großmäulige, arschbewegende Ding?
Nee nee, ich meine nicht den aktuellen Sprechgesang mit dem Triplet-Flow und dem langweiligen Gangster-Posing für Wiggas - weder in US noch in der Schanze.
You must learn!
Naughty NMX muss man das nicht erklären. Im Gegenteil: Er lehrt uns einen Geschichtsunterricht auf zwei Plattentellern. Samples, Beats, Rhymes - von Eric B & Rakim über DJ Jazzy Jeff zu EPMD und beyond. Und dabei fällt auf, wieviele Hits das Genre Hip Hop hervorgebracht hat. Und das Publikum tobt und rappt mit.
It's a culture thing you wouldn't understand Lutz Marmor
Dort stehen überraschenderweise weit weniger alte B-Boys als erwartet. Viele junge Jungs und Mädchen drängen in die Sauna namens Knust. Naughtys spinnt mühelos zwischen 80ern und 90ern hin und her: "Apache", "The 900 Number", der großartige EPMD/Eric Clapton-Edit. Und das Publikum ist begeistert. Fast bekommt man Angst, dass der Haupt-Act gar nicht benötigt wird.
Return Of The B-Boy
Und dann stehen sie auf der Bühne: Slim Kid, Fat Lip, J-Swift mit dem Hamburger Trebbis als Tour-Dj - verstärkt um Jurassic 5-Mitglied Akil. Offiziell geht es heute Abend um Revival des Debut-Longplayers "Bizarre Ride to the Pharcyde". Die Rapper sind vorbereitet - und das Publikum auch. Sofort wird mitgeschnackt, und gehüpft und die Arme in die Luft gereckt - ihr kennt das ja. Aber in gut.
Wie viele andere Crews / Bands kriegen es hin, nach 25 Jahren eine ganz andere Generation mühelos einzufangen? Natürlich gab es die Hits "Yo Mama" und "Passin' me by" - doch woher kennen die Nachwachsenden das? Aus dem Radio? Aus einer Apple-Werbung? You're kiddin' me.
4 Better Or 4 Worse
Als The Pharcyde mit diesem Album auf die Bühne traten, war man von der Westküste ganz andere Sachen gewohnt. N.W.A. hatten den Gangster-Rap von Schooly D übernommen und den eher politischen Afrocenity-Style zwischen A Tribe Called Quest und Public Enemy abgelöst. Es ging nicht mehr um Gerechtigkeit für Alle, sondern um Lexus, Green und B'tches für sich selbst.
Die vier aus L.A. dagegen spielten erstmal "The Dozens" auf "Yo Mama" bevor sie ihr Pech mit dem weiblichen Geschlecht wortreich und charmant mithilfe eines Quincy Jones-Samples beschrieben. Auch das zweite Album "LabCabinCalifornia" war eigenständig und überzeugte. Hier konnte Produzenten-Legende J-Dilla zum ersten Mal in das Bühnenlicht treten. Mit "Runnin'" und "Drop" gab es auch noch zwei Radio-Hits in den USA. Doch interner Streit und die Crack-Sucht von J-Swift beendeten den Lauf von The Pharcyde - obwohl es immer Mal sporadische Lebenszeichen der Mitglieder gab.
Erst zum 20. Jubiläum des Debuts gab es ein erstes Revival. Nach der erfolgreichen Aufführung von Bizarre Rideim Roxy Theatre in Los Angeles wurde aus dem One-Off-Gig eine US-Tour. Und schließlich startete die bizarre Fahrt durch Europa jetzt im Knust.
Und da stehen wir nun wie in einer Sauna: glücklich, tanzend und schwitzend. Das Publikum war textsicher, reckte die Arme in die Luft, klatschte sich ab und wurde von der Bühne mit Wasserflaschen beworfen. The Pharcyde waren leicht übermüdet aber glücklich und standen am Ende den "echten Fans" für Selfies, Autogramme und Small Talk zur Verfügung.
Kurz: Die "Bizarre Ride" war eine Hip Hop Blockparty in der Halle.
Auch wenn J-Swift nicht wirklich fit aussah, die Entscheidungen der Band wohl nicht gleichberechtigt gefällt werden und Akil zwar nice, aber nicht nötig gewesen wäre: Der Auftritt hat Spaß gemacht - vor und auf der Bühne. Und da Hip Hop mittlerweile über 40 Jahre alt ist, scheint das Retro-Tour-Geschäft zumindest für The Pharcyde ein guter Plan zu sein.