Nein, Rebellion passiert hier heute nicht, dafür liegen die wilden Jahre zu weit zurück. Vierzig Jahre "1-2-3-4" eingeschrieben in das Knochenmark und einige Gesichter der 195 Zuschauer auf dem Lattenplatz bei den Solidary Punk Rock Days. Aber die Erinnerung befeuert an diesem Abend die Neuronen und schüttet reichlich Endorphine*) aus.
Hey Ho - Let's Go!
Und es wird ein großes Spaß. Fabsi und die Mimmis aus der anderen Hansestadt kennen keine Scheu und schrammeln los. Neben eigenen Songs werden auch die Coverversionen lautstark goutiert und mitgesungen: von Hansaplasts "Rock'n'Roll Freitag", über das Düsseldorf-Medley mit "Zensur, Zensur" und "Zurück zum Beton" bis zur "Slime-suchen-neuen Sänger"-Castingshow und "A.C.A.B." Gelungen auch die leider immer noch notwendige Aufforderung: "Gebt Den Faschisten Keine Chance". Nur das pinke Hütchen vom Sänger kam nicht bei allen Punks an. Kein Wunder, war doch überraschenderweise schwarz die Farbe der Stunde(n) im Publikum - gern auch als T-Shirt mit passendem Band-Logo.
Die Lokalmatadoren Razors machen auch keine Gefangenen. Frontmann Danker war optisch eine Augenweide und zeigte nebenbei, wo HP Baxter seinen Look geklaut hat. Der neue Gitarrist brachte frischen Wind und Christel mit Sven Gott sorgten für Rhythm.
Razors-Poster in der Orgienpost
Alle Status Quo - außer Mutti
Das Wonk Unit Accoustic-Set im Anschluss ging leider etwas unter. Schade, denn Sänger Alex war nicht nur der jüngste heute Abend, sondern auch derjenige mit geringstem Retro-Anteil. Zwischen Patrick Fitzgerald und Mike Skinner polterte er gekonnt zwischen launigen Ansagen und kurzen, kleinen Hits.
Nein, der große Umsturz findet hier nicht mehr statt. Auch die Autos in Harvestehude bleiben diesmal stehen. Aber die leuchtenden Augen von Zuschauern und Künstlern auf dem Lattenplatz zeugten von Energie, Spaß und Witz, die in der heutigen Hamburger Szene wenig anzutreffen sind.
Vielleicht wäre es für die vielen Interpret'innen der Hamburger Pop-Akademien und austauschbaren Singer/Songwriter empfehlenswert, sich hier etwas abzugucken, um nicht so beliebig zu bleiben. Denn obwohl Punk auch 'nen dicken Arsch macht - der wackelt immerhin noch ganz ordentlich!
Thank You For The Music!
Dass das Solidary Punk Rock Days Festival zwischen Corona und kommender Arthritis überhaupt stattfinden konnte, verdankt Hamburg vor allem drei jung gebliebenen Machern: Dirk, Perry und Arne. Vielen Dank! Eine Fortsetzung wird - auch unabhängig von Blackpool - bereits diskutiert. Ach ja: und danke für die Pyro.
*) Die wurden tatsächlich auch erst zur Pre-Punk-Zeit um 1975 entdeckt