(Update: Hier zum Text über das Konzert im Knust) Wenn es im POP um Lieder über Mütter geht, dann werden oft die kruden, inzestuösen Zeilen von Jim Morrissons "The End" bemüht. Dass es auch anders geht, bewies dieses Jahr eine Band aus Bristol. Die Idles live in Hamburg - da war nicht Deine übliche Indie-Band zu erwarten.
Ein Song - ein Statement
Mit diesem Song waren sie plötzlich auf dem Radar. Ihr Lied "Mother" klatscht in wenigen Zeilen den Torys ein paar Worte um die Ohren, um dann in einem klaren Statement zur Frauenfeindlichkeit zu münden:
"Sexual violence doesn't start and end with rape
It starts in our books and behind our school gates
Men are scared women will laugh in their face
Whereas women are scared it's their lives men will take."
Auslöser war der Tod der Mutter des Sängers, die bei den Aufnahmen zum Debüt-Album "Brutalism" an Krebs starb. Zu diesen Worten ballert das Quintett Salven von krachigen, schneidenden Sounds auf die Zuhörer herab. Das könnte man "Post-Punk" nennen, mit Hinweisen an frühe Joy Division oder Wire - andere bemühen den Anschluss an die Sleaford Mods oder härtere Art Brut - aber das wäre auch nur die halbe Wahrheit. Das konnte man auf der Bühne des vollen Molotow auf dem Hamburger Kiez erfahren.
Spektakel im Molotow
Kurze Ansagen, knappe Texte, viel Wut, viel Krach - das sind die Idles live. Sie sind einer der neuesten Proletarier-Bands auf dem Vereinigten Königreich. Und trotz - oder wegen - Brexit, "New Labour" oder "dem ganzen anderen Scheiß" halten sie nicht resigniert das Maul. Es wird geschimpft, es werden Fäuste gestreckt und das Publikum tanzt dazu Pogo. Also alles wie gehabt? Nicht ganz. Trotz "harten" Gitarren, die zumeist eher Macho-Musikstilen wie "Rock" zugeordnet werden, haben die Idles noch mehr im Köcher. Sie spielen mit Geschlechterrollen, die beiden Gründungsmitglieder Joe Talbot und Bassist Adam Devonshire knutschen schon mal zwischendrin und die Ansage zum nächsten Pogo-Kracher lautet: "This is a song is about a disease, it's called masculinity" (Samaritans). Das ist ein interessantes Spiel mit Zeichen und Tönen. Während "harte" Musik (früher Heavy Metal, heute Gangster Rap) jungen Kerlen oft das Bild einer allmächtigen Männlichkeit vermittelt, nutzen die IDLES einen ähnlich mächtigen Sound, um inhaltlich genau da gegen anzugehen.
Keine leichte Kost
Auch sonst gibt es hier nicht gerade leichte Kost. Die Texte behandeln psychische Probleme ("1049 Gotho), ignorante Rezeption von Kunst ("Stendhal Syndrome"), die drohenden Privatisierung der britischen Krankenversicherung ("Conquer & Divide") und Privilegien der Oberschicht ("White Privilege") - nicht gerade Texte, die man bei deutschen Indie-Bands hören kann. Die Tonträger sind dann eingepackt in Hüllen mit Kunstwerken von Freunden.
Dabei macht das Spektakel auch Spaß. Am Ende gibt es das volle Programm: Stagediving (bei der niedrigen Molotow-Decke!), Musiker mit Instrumenten im Publikumsgetümmel - und schließlich: die Übergabe der Geräte an Konzert-Besucher. Und so spielen dann wildfremde Menschen Bass, Gitarre und Schlagzeug auf der Bühne, während die Idles am Merch-Stand T-Shirts und Platten verkaufen. Irgendwie dann doch Punk.
Idles - the Band